«Father Joe» in Afrika: Beth­le­hem-­Missio­nar Jo­sef El­se­ner ver­stor­ben

Josef Elsener (93) war nicht nur ein leidenschaftlicher, politisch engagierter Missionar, der sich jahrzehntelang für die Bedürfnisse der Menschen in Afrika einsetzte. Der Geistliche zeigte sich auch liberal und offen gegenüber der Einführung von Laien-Theologen. Otmar Elsener erinnert sich an Meilensteine im Leben seines Bruders.

27.04.2023

AUTOR: WOLFGANG HOLZ, KATH.CH

«Er ist fast ein Afrikaner geworden, so intensiv hat er sich mit dem Land und den Menschen dort identifiziert», erzählt Otmar Elsener gegenüber kath.ch. Und das trat ein, obwohl sein Bruder Josef eigentlich anfangs lieber nach Japan als Missionar gegangen wäre. Doch Afrika, wo er jahrzehntelang als Missionar in Simbabwe wirkte, hat das Herz von «Joe» Elsener schnell erobert. «Die Fröhlichkeit der Leute und vor allem ihre Erdverbundenheit faszinierten ihn», sagt der 88-Jährige über seinen am 21. April im Alter von 93 verstorbenen Bruder.

Tier-Allegorien verwendet

«Joe wollte als Missionar den Afrikanern auch nie das Christentum aufzwingen – sondern den natürlichen Glauben der Afrikaner ins Christentum integrieren.» In seinen Predigten habe er oft Tier-Allegorien verwendet.

Der Afrika-Missionar, Buchautor und Historiker Josef Elsener wuchs in Rorschach als ältester Sohn von Josef und Lydia Elsener Ziegler auf. Die gottgläubige und soziale Erziehung im katholischen Elternhaus, in Schule und kirchlicher Jugendorganisation hat ihn beeinflusst, Missionar werden zu wollen. Josefs jüngere Schwester Lydia wollte eigentlich auch Missionarin werden, schloss sich dann aber als Schwester Wiborada den Ingenbohler Schwestern an. Sie ist heute 91 Jahre alt.

Mit Laienführern: Joe Elsener (rechts) als «Promoter of Social Action» und als Generalvikar des Bischofs in Zimbabwe. © zVg

Missionsgesellschaft beigetreten

Nach der Sekundarschule 1945 trat er ins Gymnasium der Missionsgesellschaft Bethlehem in Immensee (SMB) ein und entschied sich 1949 nach der Matura definitiv für diesen Beruf. 1956 wurde er zum Priester geweiht. Seine Primiz in der Pfarrkirche Rorschach war ein Fest für die Kirchgemeinde, die Familie und die Verwandtschaft. – Leider fehlte seine Mutter Lydia, die vier Jahre im Alter von 52 Jahren zuvor plötzlich verstorben war.

«Ich denke, er war unterm Strich politisch gesehen ein Sozialist.» Otmar Elsener, Bruder

«Unsere Familie hatte immer eine spezielle Beziehung zur Welt der Missionare, weil wir zuhause in christlichen Zeitungen und Magazinen viel über die Arbeit von Missionaren gelesen haben», erzählt Otmar Elsener. Für seinen Bruder sei es deshalb auch klar gewesen, dass er nicht Leutpriester werden wollte, sondern dass es ihn in die grosse weite Welt hinauszog.

Nochmals im gleichen Boot: Die Geschwister anlässlich des 85. Geburtstages von Joe Elsener in Immensee.

Wobei Josef Elsener zunächst einmal nach New York ging, um in der amerikanischen Metropole Soziologie zu studieren – bevor er 1959 dann im Auftrag der Bethlehem Mission ins damalige Südrhodesien ausreiste.

«Ich denke, er war unterm Strich politisch gesehen ein Sozialist, denn die Apartheid im Nachbarland Südafrika beschäftigte ihn in den folgenden Jahren sehr», ist Bruder Otmar überzeugt. Die Arbeit als Priester habe er deshalb auch als eine Art «social leadership» empfunden.

«Father Joe»

Und Afrika erweckte in «Father Joe» quasi sein soziales Bewusstsein für Selbstbestimmung auf dem Kontinent der kolonialen Unterdrückung. 1965 erklärte das weisse Rhodesien dann seine politische Unabhängigkeit von England. 1980 wurde das Land schliesslich unabhängig und nannte sich Zimbabwe unter Robert Mugabe. Momente der Bestätigung für Josef Elsener und sein persönliches politisches Engagement für die Freiheit. Aber auch Momente bitteren Leids.

«Denn drei meiner Missionarskollegen wurden Opfer des Krieges», erinnert sich Joe Elsener in seinem selbstgeschriebenen Lebenslauf. «Einer kam ins Gefängnis, weil er die Guerillas unterstützte; der Redaktor einer Zeitung, die sich vorwiegend an die afrikanische Bevölkerung richtete, wurde des Landes verwiesen. Das war eine schwierige Zeit.»

Josef Elsener ging auf in der Missionsarbeit und verstand sich auch mit den Kleinsten. © zVg

Zum Generaloberen gewählt

Dann kam plötzlich die Zeitenwende in Elseners Vita. Denn 1981, ein Jahr später, wählte die Generalversammlung Joe zum Generaloberen der Missionsgesellschaft Bethlehem. Diese Aufgabe rief ihn völlig unerwartet und kurzfristig nach 25 Jahren in Afrika nach Immensee zurück.

Josef wurde nun auch in der Schweiz «Joe» genannt und lebte sich nach eigenen Worten «relativ schnell und gut» in das für ihn völlig neue verantwortungsvolle Amt ein. Er stand während zwei Amtsdauern, von 1981–1988 und von 1988–1993 einer Missionsgesellschaft vor, die in sieben Ländern und in der Heimat aktiv war.

Reisen nach Lateinamerika

Eine wichtige Aufgabe seiner Amtszeit, die Inspektion aller Arbeitsgebiete der Gesellschaft, war mit weltweiten Reisen verbunden. Ein Spruch von ihm bleibt unvergessen: «Become a missionary, see the world!» Das häufigste Ziel war Lateinamerika, wo er nebst Peru, Ecuador und Bolivien, jeweils wochenlang in Kolumbien unterwegs war.

Bereits 87 Jahre alt, reiste «Joe» Elsener 2016 noch ein allerletztes Mal in sein geliebtes Afrika, um einen alten erkrankten Missionar in die Schweiz zu begleiten. Bedrückt und frustriert musste er feststellen, wie sich die Lebensbedingungen der Bevölkerung in «seinem» Zimbabwe unter der korrupten, von Robert Mugabe geführten einheimischen Oberschicht, katastrophal verschlechtert hatten, und die einst blühende Missionsarbeit kaum noch Früchte zeigte.

«Romerohaus»

Danach wurde das 1986 eingeweihte Luzerner Bildungszentrum, das «Romerohaus», seine zweite Heimat. Das Romerohaus, das nach dem 1980 in San Salvador ermordeten Erzbischof Oscar Romero benannt wurde, gestaltete sich für ihn zum Sinnbild für missionarischen Aufbruch. «Er engagierte sich sehr für Laien-Theologen und für die Ausbildung von Laien zu Missionaren», erinnert sich sein Bruder.

Grund: Das Berufsbild des zolibatären, zu selbstlosem Dienst verpflichteten Priesters auf Lebenszeit war für junge Männer nicht mehr attraktiv. Es fand sich kaum noch Nachwuchs für die Gesellschaft, während sich aber Männer und Frauen für befristete bezahlte Einsätze in den Missionen finden liessen.

Persönlich verschlossen

«Wie es um seine eigenen, auch zölibatären Gefühle bestellt war, davon konnte man sich als Aussenstehender nur schwer ein Bild machen», sagt Bruder Otmar Elsener. Denn sein Bruder sei persönlich stets sehr verschlossen gewesen. «Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, als wir vier Geschwister uns in der Karwoche getroffen haben. Das war sehr schön – obwohl er schon sehr ruhig war.»

Die Trauerfeier fand am Mittwoch, 26. April 2023, um 14 Uhr im Missionshaus Bethlehem in Immensee statt. Anschliessend wurde er im missionseigenen Friedhof zur Ruhe gesetzt.

Das Romerohaus in Luzern. © Regula Pfeifer
Das Missionshaus Bethlehem in Immensee. © zVg

Aktuelles

Das Christentum mit anderen Menschen leben

Ende August besuchte die Missionsgruppe Buttisholz Emilio Näf im Missionshaus Bethlehem in Immensee. Der Tagesausflug wurde zu einer Zeitreise durch 100 Jahre Geschichte der Bethlehem Mission Immensee und zu einer Begegnung mit Menschen, die Leben in christlichem Geist und Offenheit schlicht vorleben.

Verfasst am 13.10.2023

John Inauen

Abschied von John Inauen (* 15.3.1924; † 7.8.2019), Bruder-Missionar SMB.

Verfasst am 08.08.2019

China: Weiterbildung von Seelsorgenden

China als erste Auslandmission hat für die SMB besonderen Stellenwert. Mit Pastoralkursen zur Kommunikativen Theologie wird die Verbindung ins fernöstliche Land nach Jahrzehnten wieder hergestellt.

Verfasst am 30.10.2014

SMB: Martin Jäggi ist neuer Hausoberer in Immensee

Die Missionsgesellschaft Bethlehem SMB hat nach 25 Jahren einen neuen Leiter für die Niederlassung Immensee gewählt: Martin Jäggi löst per 1. Januar 2024 den langjährigen Hausoberen Josef Christen ab.

Verfasst am 10.01.2024