Die Geschichte einer Begegnung

In einer Publikation mit zahlreichen Beiträgen aus Anlass von 70 Jahren SMB in Kolumbien beschreibt der sozial engagierte Künstler Jafeth Gómez Ledesma, wie er mit der Missionsgesellschaft Bethlehem Immensee in Kontakt kam und wie sie ihn prägte.

06.12.2025

Autor: Jafeth Gómez Ledesma

Meine Begegnung mit der SMB hat eine tiefgreifende Bedeutung für mein persönliches und soziales Leben, denn ich erhielt eine gute Ausbildung in verschiedenen sozialen Bereichen. Und ich lernte ein befreiendes Christentum kennen, das sich der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt und meinen Weg prägte. Es eröffnete mir die Möglichkeit, in der Kunst die Realität auszudrücken und Vorschläge für unterschiedliche Lebensmodelle zu machen. Sie ist zu meinem ständigen Beruf geworden.

Damals lebte ich in La Mesa, einem kleinen Dorf in der Westkordillere. Dort war einst der SMB-Missionar Javier Bürkler hingekommen, der sich mit meiner Familie, insbesondere mit meinem Vater, sehr angefreundet hatte. Neben seiner Arbeit in der Pfarrei förderte Padre Javier neue Anbaumethoden und die Bildung der Menschen mit Hilfe von Lehrmitteln der Acción Cultural Popular (ACPO) und des Radiosenders Sutatenza. Er verteilte unter anderem die Zeitung El Campesino, Bücher und Broschüren zur Alphabetisierung. Trotz der Nähe und Sympathie für seine Arbeit wollte ich nichts von der Kirche wissen. Es war meine Zeit der offenen jugendlichen Rebellion, und ich stellte alles in Frage.

Wandbild von Jafeth: La siembra – die Aussaat.

Viel später, ich war bereits Lehrer, arbeitete ich mit Jugendgruppen zusammen. Wir versuchten, unserem Leben eine neue Ausrichtung zu geben. Vor allem suchten wir nach Antworten auf die harten sozialen Realitäten. Von meinem Bruder Chepe erfuhr ich, dass «einige Schweizer» angekommen seien, die Kurse zu biblischen Themen gaben. Er lud mich ein, daran teilzunehmen.

Die Rede war von einem befreienden Jesus, menschlich, einfach, der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet und vor allem nah und liebevoll. Ich habe mich sehr mit dieser Person und insbesondere mit ihrer Botschaft identifiziert. Von da an war mein Engagement radikal und dauerhaft. Ich nahm gewissenhaft an allen angebotenen Kursen teil, übernahm zusätzlich konkrete Aufgaben und Verpflichtungen in der Gemeinschaft.

Neben theologischen Themen wurden Kurse zur Volksbildung angeboten. Die befreiende Alphabetisierung nach Paulo Freire wurde ausführlich besprochen und ich hatte die Möglichkeit, das Gelernte als Alphabetisierungslehrer für Erwachsene in der Gemeinde umzusetzen. Ausserdem schloss ich mich nach und nach dem Projekt der SMB in der Region an. El Trochero Pastoral, eine mehrmals jährlich erscheinende Zeitschrift mit ausgearbeiteten Kurs- und Gottesdienstunterlagen, wurde gegründet. 1978 veröffentlichte ich dort meine ersten Zeichnungen Meine künstlerische Tätigkeit nahm hier ihren Anfang.

Zeichnung von Jafeth: Tierra semilla – Saatgut der Erde

Bekannt wurde ich durch einen Comic über Silvestre, einen Bauern, der den Menschen beibringen wollte, wie sie ihre Lebensbedingungen verbessern können. Darin schilderte er verschiedene Situationen in der Gemeinde auf anschauliche Weise. Diesen Comic haben wir etwa drei Jahre lang fortgesetzt und veröffentlicht.

Daraufhin entstanden viele Zeichnungen und Illustrationen, die die Überlegungen im Trochero begleiteten. Zudem wurden weitere Publikationen mit Schwerpunkt auf dem Südwesten Kolumbiens herausgegeben. In Zusammenarbeit mit den Delegados de la Palabra von La Mesa entstand ein Viacrucis Campesino (Bauern-Kreuzweg). Er fand grossen Anklang und wurde nicht nur in Kolumbien, sondern auch in der Schweiz gedruckt. Wir trafen uns in Gruppen, um daran zu arbeiten, und die Gespräche über die Bilder zogen sich oft über einen ganzen Tag hinweg.

Mit dem Redaktionsteam erstellten wir einige Broschüren zur Methodik der befreienden Alphabetisierung, da eines unserer größten Probleme die soziale Ungerechtigkeit sowie die Unwissenheit unserer Leute war, die ihnen den Blick auf die Realität verwehrte. Ich setzte diese Methode in dem Dorf um, in dem ich in der Alphabetisierung von Erwachsenen tätig war. Dabei ging es nicht nur darum, Lesen und Schreiben zu lernen. Wir wollten auch, dass die Menschen über ihre Alltagssituation, die Schwierigkeiten, unter denen sie litten, und ihre Lebensbedingungen nachdachten. Wir sagten: «Man muss lesen lernen, um Geschichte schreiben zu können.»

Mein Dank und meine Anerkennung gelten der SMB und dem Equipo Móvil Regional, die mir damals die notwendigen Grundlagen vermittelten. So konnte ich meinen Weg gehen und fast 50 Jahre lang mit meiner Arbeit aus einer befreienden Perspektive zu sozialen und gesellschaftlichen Prozessen beitragen. In dieser Zeit habe ich für meine künstlerische Arbeit vielerorts Wertschätzung und Anerkennung erfahren.

Quelle

Der Text erschien in der spanischen Publikation «Contamos historias que empiezan con un sueño y que todavía construyen comunidad” von Ernesto Pedro Heiniger.