Gelassen in die Zukunft blicken

Emilio Näf, 82, lebte und arbeitete 18 Jahre in Peru. Seither wirkt er in Leitungsfunktionen und als Seelsorger in der Schweiz.

Autor Norbert Spiegler – 01.07.2025

Norbert Spiegler SMB: Was gab den Anstoss, dich für einen Missionseinsatz zu bewerben?
Emilio Näf: Ich war bereits in der Jugend familiär mit der SMB verbunden, weil mein Onkel Josef Stocker SMB-Mitglied war. Um seinem Beispiel zu folgen, ging ich auf das Gymnasium in Rebstein und Immensee. Unter anderem durch die gute Kameradschaft in der Gymi-Klasse entschloss ich mich nach der Matura 1963, mich für das Noviziat anzumelden. Es war die Zeit des Konzils. Die damals geweckte Aufbruchstimmung hat meine 25 Matura-Kollegen und mich etwas übermütig und blauäugig gemacht und uns zu diesem Schritt motiviert.

Im Rückblick auf dein Studium und deine Ausbildung, was war dir da am wichtigsten?
Das war das Praktikumsjahr in einer Pfarrei im Kanton St. Gallen. Dort konnte ich mich in Katechetik und Jugendbegleitung einarbeiten und meine Fähigkeiten auf die Probe stellen. Diese Erfahrung hat mich in der pastoralen Ausrichtung des Studiums beeinflusst und begleitet.

Eine Delegation der Pfarrei «El Buen Pastor» aus Callao bei einem Friedensmarsch in Lima.

Was war für dich ganz anders, als du in der anderen Welt ankamst?
Es kam in meinem Leben oft anders als gedacht. Zuerst war die Entsendung ins damalige Rhodesien geplant. Doch dann kam nach einer Wartezeit der Equipen-Einsatz in Peru zustande. Dort angekommen, stand wieder eine Umstellung an. Die offizielle Kirche präsentierte sich vorwiegend weltfremd und traditionsgebunden. Unser Viererteam fand offene Türen bei den Menschen in den Randgebieten der Hafenstadt Callao. Dort konnten wir uns der grossen Armut und den prekären Lebensverhältnissen stellen. Wir durften die benachteiligten und armutsbetroffenen Menschen begleiten. Der Weg zu besseren Lebensverhältnissen war zäh und mühsam. Die befreiungstheologische Inspiration gab uns jedoch Schwung und Elan, weckte Hoffnung trotz gegenteiliger Erfahrungen.

Was zählst du zu deinen schönsten Erlebnissen?
Das war einmal die Weggemeinschaft mit Jugendlichen und Familien. In kleinen Schritten organisierten sich Gruppen von Freiwilligen. Kulturelle Aktivitäten, Bildungsangebote und Gottesdienstfeiern brachten Menschen zusammen. Im Verlauf der Jahre entstand eine grössere Gemeinschaft. Sie wurde als Gut-Hirt-Pfarrei anerkannt. Da war ich ein «Chalaco», einer von ihnen. Trotz der Spannung, fremder Ausländer zu sein, erlebte ich Nähe und Verbundenheit.

Etwas Zweites war mir wichtig. Für die SMB wurde durch den Beginn in Peru etwas anders: weg von der Gebietsmission hin zu Projekteinsätzen. Innerhalb weniger Jahre kamen mehrere neue Equipen zum Einsatz in der Küstenregion und in den Anden. Fachpersonen unterschiedlicher Berufe engagierten sich in sozialpastoralen Projekten. Unser Team in Callao hiess die Neuankommenden willkommen und begleitete sie in der Anfangszeit. Das Engagement für die Kirche der Armen führte zur Vernetzung in einer landesweiten Bewegung.

Emilio Näf

«Die befreiungstheologische Inspiration gab uns Schwung und Elan.»

Und was gehört zu den grössten Herausforderungen?
Eingestehen zu müssen, dass mein Beitrag bescheiden ist. Er ist sehr klein angesichts der überwältigend grossen Probleme von Armut, Leid und Gewalt. Zu den traurigen Erfahrungen zählte etwa die weit verbreitete Tuberkulose. Junge Menschen starben daran. Und es war die Zeit des Sendero Luminoso, mit erheblichen Sicherheitsproblemen. Es war ein bescheidener Weg, Hoffnung zu stärken.

Was wünschst du dir für deine letzten Lebensjahre?
Geduld mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Wertschätzung für die guten Möglichkeiten, die noch offen sind. Grenzen annehmen und loslassen. In Gelassenheit dankbar sein für jede aufstellende Begegnung, für geschenkte Lichtblicke.

Was würdest du jungen Leuten sagen, die in einen Einsatz nach Peru gehen wollen?
Wagt es, in eine andere Welt einzutauchen! Lasst euch von der Lebensenergie der Menschen in schwierigen Lebensumständen überraschen. Es lohnt sich! Das gibt euch selbst Lebensimpulse. Die Begegnung mit Menschen anderer Kulturen und anderer Denkarten eröffnet faszinierende Horizonte. Es lohnt sich, über den Tellerrand hinauszublicken.

Was sagst du jemandem, der dich in der S-Bahn als kirchlich engagierten Menschen identifiziert und verwundert fragt, was denn am christlichen Glauben so gut sei?
Ich bin dankbar für das Geschenk des Lebens. Es kommt auf mich an, dass ich etwas zum Guten bewirke im Rahmen des mir Möglichen. Doch ich nehme mich nicht so wichtig, weil nicht alles von mir abhängt. Ein guter Stern lässt mich gelassen in die Zukunft blicken.

Emilio Näf beim Abschied von seiner Pfarrei «El Buen Pastor» in Callao im Jahr 1993.

Emilio Näf, 82

Basismissionseinsatz in Callao (Peru) 1975–1993
Generalvikar SMB in Immensee 1993–2003
Generaloberer SMB in Immensee 2003–2008
Priesterlicher Mitarbeiter in den Seepfarreien Vitznau, Weggis, Greppen 2011–2023
Generalvikar SMB in Immensee Ab 2023