1975 reiste die erste Equipe der Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) für einen Einsatz nach Peru, in die Hafenstadt Callao. In den Folgejahren kam es zu weiteren Einsätzen im peruanischen Hochland und in der Hauptstadt Lima. Bis in die Gegenwart sind es weit über hundert Einsatzleistende, die im Namen der SMB und später der Bethlehem Mission Immensee und von Comundo in Peru wirkten.
Nachdem die jungen Bethlehemiten Emil Näf und Max Egli keine Visa für die Tätigkeit im damaligen Bürgerkriegsland Südrhodesien (Simbabwe) bekommen hatten, bereiteten sie sich auf einen Einsatz in Peru vor. Geplant war ein ökumenisches Projekt mit der Basler Mission, der Aufbau und die Betreuung eines Seemannsheims in der Hafenstadt Callao. Zusammen mit dem Ehepaar Margit und Peter Brunhart absolvierten die beiden SMB-Priester einen intensiven dreimonatigen Ausreisekurs in Basel.
Versehen mit dem Segen des Chinamissionars und Alt-Generaloberen Eduard Blatter, reiste die Equipe im Januar 1975 nach Genua und schiffte dort auf die Giuseppe Verdi ein mit dem Ziel Callao, Peru. Daran erinnert sich Max Egli im Rückblick: «Rührender Moment des Loslösens vom europäischen Kontinent, das tief dröhnende Schiffshorn der Verdi, das unendliche Wasser, die Sonnenauf- und -untergänge, die Stürme, die zehn Häfen, die wir anliefen, das Wiegen Tag und Nacht, die Meeresluft, die täglichen Sitzungen auf dem Bug des Schiffes, um die Zukunft zu planen, ein wunderschöner Sonnenuntergang beim Einlaufen am 20. Februar im Hafen von Callao, Empfang in der deutschen Pfarrei im Nobelviertel Miraflores mit Pisco, dem famosen Traubenschnaps («Trinkt, ihr mutigen Schweizer, das ist das beste Produkt der Peruaner!») – unsere gut eintrainierte Option für die Armen und für das Land Peru bekam ein erstes Mal eine kalte Dusche vor Ort.»

Eine Delegation der Pfarrei «El Buen Pastor» aus Callao bei einem Friedensmarsch in Lima. © SMB-Archiv
Aufbau von zwei Pfarreien in Armenvierteln von Callao
Aus verschiedenen Gründen versandete das ökumenische Projekt eines Heims für Matrosen bald schon, und so richtete die SMB-Equipe in Callao ihr Interesse auf die Menschen in den Armenvierteln der Hafenstadt und deren Bedürfnisse. «Es war eine unruhige Zeit mit sozialen und politischen Aufbrüchen», erinnert sich Emilio Näf. «Die Fischer organisierten sich, auch die Bauern auf dem Lande. Bei der Jugend an den Universitäten brodelte es. Aufgeschlossene kirchliche Kreise engagierten sich im Sinne der Befreiungstheologie. Wir waren willkommen und wurden eingeladen, uns im Geiste eines befreienden Christentums einzuleben.» Intensiv begleitet wurde die SMB-Equipe von Jorge Alvarez Calderón, der als «Novizenmeister» wirkte, eingebettet war sie in der christlichen Arbeiterbewegung und der progressiven Priesterbewegung ONIS.
Max Egli versuchte, sich ganz sachte und vorsichtig in der Welt der Fischer zurechtzufinden. Durch viele Kontakte und Versammlungen lernte er deren Arbeitsverhältnisse, das Funktionieren der Fischergewerkschaft und die politischen Machenschaften näher kennen. Trotz eines zweimonatigen Streiks konnten 10 000 Fischer nicht verhindern, dass die Fischereiflotte an Private verkauft wurde, die den Schutz der Regierung genossen. Viele verloren in diesem Konflikt ihre Arbeit, haben aber nicht resigniert und wurden selbstbewusster. In diesem Umfeld arbeitete die SMB-Pastoralequipe mit den Menschen in der «Fischerstadt» zusammen und entstand die Pfarrei «San Pedro el Pescador».
In einem anderen Armenviertel nahe dem Hafen wurde der Platz immer knapper und die Wohnverhältnisse unmenschlicher. Schliesslich planten einige Familien, unterstützt von engagierten Kirchenleuten, ein vom Staat für die Besiedlung vorgesehenes Gelände von 14,6 Hektaren zu besetzen. Alles wurde genau vorbereitet und abgesprochen. Um Mitternacht zogen Männer, Frauen und Kinder los, auf dem leeren Gelände wurden Schilfmatten in Zeltform aufgestellt und eine peruanische Fahne gehisst. Plötzlich tauchten Polizisten auf und warfen Tränengasbomben, ein unsägliches Chaos machte sich breit, Schilfmatten brannten. Padre Emilio, der auf Wunsch der Leute die Aktion begleitete, wurde zusammen mit einigen Männern verhaftet und auf eine Polizeistation gebracht. Nach bischöflicher Intervention und einem Gespräch mit dem obersten Polizeichef wurden die Verhafteten am anderen Mittag freigelassen. Das war im Juli 1978. Ein Mythos entsteht: Der heroische Akt der Landnahme und die Nacht im Gefängnis haben sich gelohnt. Bald wurde das Gelände zur Besiedlung freigegeben, im Barrio «14.6 Hektaren» entstand die Pfarrei «El Buen Pastor».
In den beiden Pfarreien in Callao wirkten in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren neben peruanischen Pastoralmitarbeitenden noch drei weitere SMB-Mitglieder: Oswald «Zaus» König, Andreas Wettstein und Pablo Meier.
Aufbruch in den Südanden Perus
Schon seit 1968 arbeiteten einige Fidei-Donum-Priester aus der Schweiz, die ersten beiden Markus Degen und Benno Frei, im südperuanischen Hochland, vor allem in Putina und Umgebung. Aufgerüttelt durch einen Artikel des FD-Priesters Otto Brun in der Jesuiten-Zeitschrift «Orientierung», begannen zwei Frauen aus Deutschland, Berna Schulte und Cristy Orzechowski, 1977 einen Einsatz mit der SMB in Pucará. Bald schon übernahmen sie die verwaiste Pfarrei Santiago de Pupuja als selbständige «Pfarrerinnen». Der Bischof von Puno schrieb über die Arbeit der beiden: «Sie haben sich in den vergangenen sechs Jahren ausgezeichnet in die Kultur, die Gewohnheiten und die Eigenart der Bevölkerung eingelebt. Sie beherrschen sogar deren Sprache, das Quechua … Ich erzähle in meiner Diözese oft von ihrer Arbeitsweise, weil sie für mich beispielhaft ist.»
Weitere SMB-Einsätze in den peruanischen Südanden starteten 1982 in der Landpfarrei Maras mit dem Ehepaar Elisabeth und Martin Mayenberger und dem Soziologen und Theologen Josef Sayer, der sich noch im selben Jahr vom Bischof von Cusco zum Priester weihen liess, 1983 in Pucará mit dem FD-Priester Norbert Arntz und dem Ehepaar Marie-Theres und Michael Schulze-Höfer, 1985 im Armenviertel Independencia der Inka-Metropole Cusco mit dem FD-Priester Werner Baumann und dem Ehepaar Susanne und Peter Friedli sowie im selben Jahr in Juliaca mit dem Ehepaar Claudia und Georg Vogel-Wagner.
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Besprechung beim Essen in der Pfarrei Villa de Fátima in Lima: Oswald König, Toni Peter, Bernadette und Felix Weder, Emilio Näf (v.l.n.r.). © SMB-Archiv
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Max Egli im Gespräch mit peruanischen Katechetinnen der Pfarrei «San Pedro el Pescador». © SMB-Archiv
Weitere Einsätze in Armenvierteln von Lima
Auch im Armenviertel Villa de Fátima an den Abhängen des Cerro San Cristóbal, nahe dem historischen Zentrum von Lima, wirkten Fidei-Donum-Priester aus der Schweiz. 1983 wurden sie abgelöst durch eine Pastoralequipe der SMB, bestehend aus dem Guadalupe-Missionar José Sandoval und dem Ehepaar Lisbeth und Christoph Schwager. Kurz vor ihrer Rückkehr 1987 in die Schweiz schrieben Lisbeth und Christoph Schwager: «Es ist wichtig, dass die Mitglieder der Jugend-, Familien-, Frauengruppen und der Basisgemeinden bewusst und aufmerksam leben, immer wieder die Wirklichkeit analysieren und sie von den Werten Gottes her (Gerechtigkeit, Frieden, Gleichheit, Geschwisterlichkeit und Liebe) beurteilen. Wenn wir als christliche Gemeinde die Bibel mit den Augen der Gegenwart lesen, sehen wir, wo Gott unseren Einsatz will, bekommen wir den Mut dazu. Weder die Veränderung der sozialen Lage noch der Friede lassen sich schlagartig herbeizaubern, da ist viel mühsame und beständige Kleinarbeit nötig …» Nachfolger dieser SMB-Equipe waren der SMB-Priester Toni Peter und das Ehepaar Bernadette und Felix Weder.
Im selben Jahr begann eine SMB-Pastoralequipe mit Franz und Angelika Marcus-Matulla einen Einsatz in der Wüste von Canto Grande, am Rande Limas, in den Barrios Cruz de Motupe und Montenegro. Sie gehörten zur Grosspfarrei «Señor de la Esperanza», die damals mehr als eine halbe Million Einwohnerinnen und Einwohner zählte. Ziel der priesterlosen Pastoralequipe war «eine lebendige und selbstbewusste Laiengemeinde mit engagierten Animatorinnen und Animatoren, die sich in den Dienst der kirchlichen wie der weltlichen Gemeinschaft stellen. Kirche soll nicht getrennt als weitere Basisorganisation neben den anderen stehen, sondern sich als einende und befreiende Kraft in allen Organisationen auswirken. Verkündigung bedeutet ja auch, für menschenwürdige Lebensbedingungen zu kämpfen.»
Gewalt in Peru
In den 1980er-Jahren nahm die Gewalt in Peru immer stärkere und brutalere Ausmasse an und erschwerte das Arbeiten und Leben der SMB-Equipen in verschiedenen Gegenden massiv. Unter der Gewalt der Terrororganisationen, vor allem des Sendero Luminoso, des Militärs und bewaffneter Bürgerwehren litt besonders die indigene Bevölkerung in den Zentral- und Südanden. Von den geschätzt 69 000 Opfern dieses «schmutzigen Krieges» zwischen 1980 und 1995 waren mehr als drei Viertel Indigene, während die Täter überwiegend Weisse und Mestizen waren. «Entre dos fuegos» – zwischen zwei Feuern – titelte Amnesty International einen Bericht über diese Zeit rücksichtsloser Gewalt, in der es für die Quechua-Bevölkerung kaum eine Möglichkeit gab, «neutral» zu bleiben. Sie wurde von beiden Seiten mit Misstrauen betrachtet.

Esther Nussbaumer mit Kindern aus Aucará vor dem Pfarrhaus. © SMB-Archiv
Die Pastoralequipe von Aucará zwischen den Fronten
Am schwierigsten wurde die Arbeit für die Pastoralequipe in Aucará (Ayacucho), zu der neben dem SMB-Priester Max Egli die Krankenschwester Esther Nussbaumer (die schon früher vier Jahre mit der SMB in Sambia arbeitete) und zwei kirchliche Mitarbeiterinnen aus Peru gehörten. Ihr Einsatzgebiet war in einer abgelegenen, völlig verarmten und vernachlässigten Gegend in den Anden, die stark vom Terrorismus betroffen war. Die Kirche und oft auch die Vorsteher der Campesino-Dörfer hatten sich aus diesem Gebiet verabschiedet, doch es gab lebendige kleine Gemeinschaften, die mit der Pastoralequipe zusammenarbeiten wollten.
Als ich als Mitarbeiter des SMB-Mediendienstes im Juni 1989 Peru besuchte, traf ich Esther Nussbaumer und Max Egli zu intensiven Gesprächen. Sie hatten sich vorübergehend vor der lebensbedrohlichen gewaltsamen Situation in Aucará zurückziehen müssen, Esther war auch kurz zuvor in Callao von der Polizei als Terroristin verdächtigt, verhaftet und zwei Nächte im Gefängnis festgehalten worden. In meinen Unterlagen aus der damaligen Zeit finde ich folgende Notizen: «Ayacucho ist ein Wort, ein Symbol, das für etwas Unfassbar-Unmenschliches schlechthin steht … Dass sich die Kirche des Volkes in Peru verstärkt auf dieses Ayacucho einlassen will, ist ein Zeichen der Hoffnung, aber auch eine grosse Herausforderung … Die Gespräche und Tonbandaufzeichnungen mit Max und Esther drehen sich immer wieder um die Menschen, die Campesinos von Ayacucho, die zwischen den Fronten einer gnadenlosen Terrororganisation und einem auf die Erhaltung des Status quo ausgerichteten militärisch-politischen Machtsystem zerquetscht zu werden drohen. In erschütternden Zeugnissen erzählen Esther und Max konkrete Beispiele der Verachtung des Menschen und seiner Rechte. Stellt sich die Kirche nun auf die Seite des Volkes, gerät sie auch zwischen die Fronten und ist ebenfalls bedroht. Gerade die tätige, sozial engagierte Kirche wird von beiden Seiten angegriffen. Da es nicht darum gehen kann, den Märtyrertod zu suchen, sind in Situationen blindwütigen Terrors und akuter Gefährdung neue Formen der Pastoral zu suchen: eine pastoral de presencia (mit-gegenwärtig sein), eine pastoral del silencio (Ohren offen halten für neue Zeichen von Gott) …»

Max Egli und Esther Nussbaumer beim Gottesdienst ausserhalb der Kirche im Dorf Ccecca: Dank für die Ernte und Gedenken an Verstorbene. © SMB-Archiv
Auf dem SMB-Fundament: BMI- und Comundo-Einsätze in Peru
Peru blieb Schwerpunktland von Personaleinsätzen, auch als die SMB im Jahr 2000 vom Verein Bethlehem Mission Immensee (BMI) und dieser 2016 vom Verein Comundo abgelöst wurde. Kontinuierlich kam es dabei zu einem Wandel bei den Personaleinsätzen. Aufgrund der kirchenpolitischen Linie unter Papst Johannes Paul II. gab es immer weniger kirchliche Partner, die explizit zu einer sozial engagierten Pastoralarbeit und zu einer gleichberechtigten Rolle von Laien standen, vor allem auch von Frauen. Gleichzeitig nahm in der Schweiz die religiöse Sozialisierung rapide ab, und immer weniger Kandidatinnen und Kandidaten interessierten sich für einen Einsatz in einer kirchlichen Institution. Zudem verlangte die DEZA als wichtige Finanzgeberin nach drei Jahren Einsatz konkrete Ergebnisse, die in auf viele Jahre angelegten Einsätzen in der Sozialpastoral nicht immer nachgewiesen werden konnten.
Die Theologin und Journalistin Hildegard Willer, die seit 1993 für die SMB, die BMI und Comundo arbeitet, schrieb kürzlich in einem Artikel: «Unsere Partnerorganisationen sind heute in der Hauptzahl Nichtregierungsorganisationen aus dem Menschenrechts-, Sozial- und Umweltbereich. Doch auch kirchliche Organisationen wie Fe y Alegria (ein von Jesuiten geleitetes Schulnetzwerk) oder Caritas Peru oder jüngst die staatliche Wasseraufsichtsbehörde Perus sind Projektpartner … Unsere Fachpersonen mögen vielleicht mit Kirche und christlichem Glauben wenig oder gar nichts mehr zu tun haben. Doch sie sind hoch motiviert, engagiert und sensibel für soziale Ungerechtigkeiten. Da sie sich in ein lokales Team integrieren und dort ihre Frau / ihren Mann stehen müssen, und da sie keine Mittel für Projekte aus der Schweiz zur Verfügung haben (und damit auch keinen Sonderstatus in der Partnerorganisation), sind die Anforderungen an ihre interkulturelle Kompetenz und ihre Frustrationstoleranz sehr hoch … Ich bin überzeugt, dass es gut und sinnvoll ist, dass wir als Comundo in Peru, zusammen mit unseren peruanischen Partnern, Menschen dazu befähigen und ermächtigen, sich für mehr Umweltgerechtigkeit einzusetzen.»

Volksküche in einem Armenviertel in Juliaca in den peruanischen Südanden. © SMB-Archiv

BMI-Einsatz in Yauri/Espinar: Solardemonstration mit Luciano Ré. © SMB-Archiv