Patrice Riedo: «Ich bin jemand, der Veränderungen liebt und keine Routine sucht.»

Patrice Riedo war zehn Jahre lang Geschäftsführer und Generalökonom bei der Missionsgesellschaft Bethlehem SMB. In dieser Zeit hat er unter anderem das Projekt «Wohnen im Bethlehem» aufgebaut. Ende Jahr tritt er als Geschäftsführer zurück. Im Interview blickt er auf seine wichtigsten Projekte und Herausforderungen zurück.

Autor Raquel Forster – 03.12.2025

Raquel Forster: Du warst zuerst Mitglied im Verein Missionshaus Bethlehem (VMB) und im Finanzausschuss, bevor du Geschäftsführer und Generalökonom wurdest. Wie bist du zum ersten Mal mit der SMB in Kontakt gekommen?

Patrice Riedo: Ich habe die SMB über die Familie meiner Frau Doris kennengelernt, die mit dem SMB-Mitglied Michael Traber gut befreundet war. In den Verein kam ich damals durch meinen Nachbarn, der Studienkollege von Theres Steiger-Graf war, die die Stelle als Leiterin der Bethlehem Mission Immensee (BMI) übernehmen wollte und dafür für den Verein ihre Nachfolge suchte. Er erzählte mir, dass sie jemanden für die Bereiche Finanzen und Immobilien suchen und dass er davon nichts verstehe.

Patrice Riedo mit dem damaligen Generaloberen Ernst Wildi im Jahr 2026.

Zwei Jahre später wurdest du Generalökonom und Geschäftsführer der SMB. Wie kam es dazu?Der Generalrat der SMB beschloss, die operative Unterstützung zu verstärken, um sich vom Tagesgeschäft zu entlasten und mehr Arbeiten abzugeben. In einer Sitzung mit einem externen Berater diskutierten wir verschiedene Lösungen, unter anderem auch eine externe Suche. Letztlich wurde diese Variante verworfen, und ich wurde direkt gefragt, ob ich die Stelle übernehmen würde.

Am 1. August 2015 hast du deine Stelle angetreten. Was hat dich an dieser Aufgabe gereizt?
Es war und ist nach wie vor eine sehr vielseitige und spannende Aufgabe. In der Zeit, als ich Vereinsmitglied war, wurde das Projekt der Mehrgenerationensiedlung «Wohnen im Bethlehem» präsentiert und angenommen. Mich interessierte aber auch die SMB als Organisation.

Patrice Riedo begrüsst eine Ingenbohler Schwester in Taiwan im September 2025.

Wie sah es hier aus, als du vor zehn Jahren deine Stelle angetreten hast?
An der Stelle der heutigen Häuser Im Bethlehem 2 und 3, mit dem Bistro als Herzstück, stand das alte Gebäude M1, das für das neue Projekt rückgebaut wurde. Kurz nach meinem Arbeitsbeginn haben wir das Baugesuch eingereicht. Da kam dann schon die erste grosse Überraschung, denn ich erhielt einen Anruf vom Bezirk, der mich fragte, was denn bei uns los sei. Es gab zahlreiche Einsprachen, darunter nur drei von externen Personen, die anderen kamen von unseren eigenen Mitgliedern. Ich war ganz überrascht (lacht). Da haben wir gemerkt, dass wir in der Planung und Umsetzung der Siedlung langsamer vorangehen und unsere Mitglieder besser informieren müssen. Aufgrund dieser Einsprachen verschob sich der Bau um fast zwei Jahre. Als wir die Baubewilligung erhielten, wurde es noch anspruchsvoller, denn wir bauten nicht nur neue Häuser, sondern wussten auch, dass sich das soziale Leben der SMB-Mitglieder für immer verändern würde. Die SMB war damals eine geschlossene Gemeinschaft, und auch der Innenhof war zu. Im Sinne einer Öffnung haben wir für die Siedlung bewusst das Bistro und die Wäscherei geplant. Dadurch sind wir heute viel offener geworden. Auch für unsere Mitarbeitenden brachte das Projekt eine grosse Veränderung, denn diese waren zuvor jahrelang nur auf die Mitglieder fokussiert.

Patrice Riedo (rechts) während der 100-Jahr-Feier der Missionsgesellschaft Behtlehem SMB im Mai 2022.

Welche Meilensteine gab es in deiner zehnjährigen Tätigkeit?
Ich zähle sicherlich die erste Etappe von «Wohnen im Bethlehem» zu den Meilensteinen, in der es uns gelungen ist, die gewünschte soziale und altersmässige Durchmischung umzusetzen. Vieles von dem, was wir uns vorgestellt haben, hat funktioniert. Unsere Mehrgenerationensiedlung wird nicht nur hier in der Region, sondern in der gesamten Schweiz als Pionierprojekt wahrgenommen. Daran sehen wir, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit ist.

Wenn in Siedlungen von Nachhaltigkeit die Rede ist, geht es meist um die technische Komponente. Die soziale Nachhaltigkeit ist erst in den letzten Jahren aufgekommen und ist ein Thema, das mich sehr interessiert. Denn diese muss bereits vor Baubeginn in die Planung einbezogen werden. In unserer Siedlung tragen die Jokerzimmer, der Wäschesalon, der Innenhof, der Raum der Stille, die Gemeinschaftsräume und das Bistro zur sozialen Nachhaltigkeit bei. Wir freuen uns auch darüber, dass regelmässig Organisationen aus der ganzen Schweiz zu Besuch kommen, um mehr über unser Konzept zu erfahren. Zudem werde ich zu diesem Thema vermehrt als Gast auf Podien eingeladen.

Weitere Highlights sind für mich aber auch die Kita und das Projekt «Kultur im Bethlehem», mit dem wir eine gut besuchte Plattform für Musiker:innen geschaffen haben.

Patrice Riedo (links) erklärt Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Architekturspaziergangs in Immensee im
September 2025 das Konzept der Wohnsiedlung Im Bethlehem. Bild: Franz Steinegger/Bote der Urschweiz

Gibt es Ereignisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Da sind sicher die Mitglieder, von denen einige sehr offen waren, während andere lieber alles so sein lassen wollten, wie es war. Es gab immer wieder herausfordernde Episoden. Da brauchte es schon eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl und Kompromissbereitschaft. Und die Einsprachen, die abgelehnt wurden, werde ich auch nicht vergessen (lacht).

Ich erinnere mich auch daran, dass ich mit Bruder Dominik Neuhaus im alten Speisesaal zu Mittag ass. Ich sagte zu ihm: «So, Dominik, jetzt ziehen wir dann um.» Er schaute mich an und sagte: «Nein.» Ich erwiderte: «Doch, wir ziehen alle in die neue Siedlung um.» Daraufhin erwiderte er: «Wenn du mich zügeln möchtest, sterbe ich vorher.» Daraufhin antwortete ich ihm als Freiburger zu Freiburger, dass er schon ein «sturer Cheib» sei. Von da an grüsste er mich jeden Morgen mit den Worten: «Einen herzlichen guten Morgen vom sturen Cheib.»

Als ich die Stelle antrat, war mein Büro noch mit den Sachen meines Vorgängers vollgestellt. Also habe ich zuerst das Büro entrümpelt. Eines Tages stand der damalige Generalobere Ernst Wildi in der Tür und meinte zu mir, dass es nicht gehe, dass ich nun kein Bett mehr habe. Wo ich denn einen Mittagsschlaf machen solle? Es gab viele witzige und schöne Begegnungen.

Patrice Riedo

«Ich hatte viele schöne Erlebnisse, was mir sehr entsprochen hat.»

Welche Aufgaben haben dir besonders Freude bereitet?
Ich bin jemand, der Veränderungen liebt und keine Routine sucht. Während der zehn Jahre gab es permanent Veränderungen, und ich durfte eine neue Siedlung aufbauen. Den Kontakt mit den Mieter:innen und Mitgliedern schätze ich sehr. Ich hatte viele schöne Erlebnisse, was mir sehr entsprochen hat.

Auch «Kultur im Bethlehem» sowie die Weiterentwicklung des Torry in Freiburg waren hochinteressant.

Letztes Jahr haben wir den neuen, innovativen Kompost-Laufstall eröffnet und am Tällerenweg Renovationen durchgeführt. Auch die Kontakte zum Bezirk und zum Gewerbe waren sehr wertvoll. All dies war nur mit einem guten Team möglich. Gemeinsam haben wir die anspruchsvollen Aufgaben angenommen und grösstenteils gut gelöst. Komplizierter als erwartet ist es mit dem Betreuungsangebot in der Siedlung. Ich denke, wir sind nun auf einem guten Weg zu einer praktikablen Lösung.

Patrice Riedo mit Markus Exer, VMB-Mitglied, im Bistro im Bethlehem im Jahr 2016.

Nun hast du dich entschieden, dein Amt niederzulegen. Am 1. Januar 2026 wirst du Vereinspräsident. Was waren deine Beweggründe, dich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen?
Einerseits gehe ich mit meinen 63 Jahren in Richtung Pension, andererseits ergab sich durch den Rücktritt des aktuellen Vereinspräsidenten Josef Wechsler die Möglichkeit, strategisch mitzuwirken und die Projekte weiterzuentwickeln. In den vergangenen zehn Jahren habe ich viel über Bautätigkeit sowie gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Leben in einer Siedlung gelernt – alles Themen, die mir sehr am Herzen liegen. Als ich als Geschäftsführer anfing, war die Strategie der SMB, alles langsam zu Ende zu bringen. Nun bilden wir in Simbabwe neue Mitglieder aus, und es ist interessant, auch diesen Teil zu begleiten.

Auf welche künftigen Aufgaben als Vereinspräsident freust du dich?
Ich freue mich darauf, das Projekt Torry-Ost weiterzuführen und die Zukunft der SMB finanziell und organisatorisch mitzuplanen und zu gestalten. Das sind spannende Aufgaben.

Was wirst du am meisten vermissen?
Den 9-Uhr-Kaffee am Morgen mit den Mitarbeitenden. Als Präsident werde ich nicht mehr so nah bei den Mitarbeitenden sein. Dafür freue ich mich auf mehr Zeit und Freiheiten sowie darauf, nicht mehr jeden Tag ins Büro gehen zu müssen.

Patrice Riedo und Walter Kaufmann SMB während einem Mitarbeiterausflug im Jahr 2016.

Patrice Riedo

Patrice Riedo wurde 1962 in Freiburg geboren und wuchs in Tafers (FR) auf. 1989 zog er zu seiner künftigen Ehefrau nach Zug.

Während seiner Karriere, in der er mehrere zentrale Führungspositionen innehatte, lebte er unter anderem für die deutsche E.G.O.-Gruppe für fünf Jahre mit seiner Familie in Atlanta im Süden der USA.

Neben weiteren Tätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen, darunter Landis+Gyr AG, war er auch acht Jahre lang Präsident der Rechnungsprüfungskommission der Stadt Zug sowie Vorstand und Präsident der Allgemeinen Wohnbaugenossenschaft Zug.

Der passionierte Skifahrer ist seit elf Jahren Präsident des Kirchenrats der katholischen Kirchgemeinde Zug. Dort verantwortet er unter anderem das Reformprojekt «Mensch + Kirche Zug 2035» mit den Schwerpunkten gesellschaftliche Öffnung und Umgang mit kirchlichen Immobilien.

Seit dem 1. August 2015 war der zweifache Familienvater als Geschäftsführer und Generalökonom bei der Missionsgesellschaft Bethlehem tätig und löst ab dem 1. Januar 2026 Josef Wechsler als Präsident des Vereins Missionshaus Bethlehem ab. Die Nachfolge von Patrice Riedo übernimmt die gebürtige Obwaldnerin Alexandra Gasser, eine erfahrene Spezialistin aus dem Bankensektor.