Josef Elsener

Abschied von Josef Elsener (Joe) (*26.5.1929; † 21.4.2023), Bethlehem-Missionar SMB.

26.04.2023

Lebenslauf

geboren 26.05.1929
Priesterweihe 25.03.1956
Studium der Soziologie in New York 1956 – 1958
Rhodesien (Simbabwe): Seelsorge, Sozialarbeit, Generalvikar Bistum Gweru 1959 – 1981
Generaloberer der Missionsgesellschaft 1981 – 1993
Wahlbeobachter Mosambik; Stabstelle der südafrikanischen Bischofskonferenz 1993 – 2001
RomeroHaus, Luzern: Forschungs- und Veranstaltungsgruppe; KEESA; fepa 2001 – 2014
Veröffentlichungen vor allem zur Geschichte der SMB in Simbabwe 2014 – 2022
verstorben 21.04.2023

Nachruf (von Josef Christen SMB)

Liebe Familie Elsener, Verwandte, Freunde und Freundinnen von Josef Elsener, liebe Mitbrüder

Mit einem Brieflein möchte ich beginnen, das Josef noch kurz vor seinem Tod aufsetzte:

«Lieber Othmar, es war eine tolle Idee, dass wir vier Geschwister uns zusammenfanden und einen ganzen Nachmittag zusammen verbrachten. Ich hätte es kaum für möglich gehalten. Wunderbar, wie verschiedene Erinnerungen entstehen. Und ich habe gerade wieder die Patientenverfügung erneuert.»

Das ist das letzte aufgesetzte Brieflein, unfertig geschrieben von Josef an seinen Bruder Othmar. Das war ca. vor 14 Tagen vor seinem raschen Tod. Da trafen sich die Geschwister Elsener zu viert zum Mittagessen in unserem Bistro.

Ich möchte den Lebenslauf von Josef in vier Teile fassen.

  1. Jugendzeit und Afrika Missionar
  2. Generaloberer der Missionsgesellschaft
  3. Die Zeit im RomeroHaus
  4. Buchautor

1. Josef Elsener, ich werde ihn von nun an Joe benennen, so liebte er es, wuchs in Rorschach auf. Er war der älteste Sohn von Josef und Lydia Elsener-Ziegler. In der Familie erhielt er eine gläubige und soziale Erziehung. Schule und kirchliche Jugendorganisation hatten einen Einfluss auf seinen zukünftigen Beruf, Priester und Missionar zu werden. 1945 kam er nach der Sekundarschule ins Gymnasium Immensee. 1949 entschied er sich für seinen Beruf. 1956 empfing er die Priesterweihe. Die Primiz hielt er in Rorschach; war damals ein grosses Fest der Kirchgemeinde und für die Familie Elsener. Leider fehlte seine Mutter Lydia; sie starb 4 Jahre zuvor.

Die SMB sandte Joe an die Fordham University in New York; er studierte dort zwei Jahre und erwarb ein Masterdiplom in Soziologie. Später folgten noch pastoral soziologische Studien in Genf, Brüssel und Amsterdam. 1959 kam die Sendung nach Rhodesien/heute Zimbabwe. Eigentlich wäre sein Wunsch Japan gewesen. Joe lernte für 6 Monate Shona und wurde dann Manager der Missionsschulen. Später war er zusätzlich auch Pfarrer in Shabani, wo die schwei-zerische Firma Schmidheiny eine Asbestmine betrieb – damals ohne Schutzmassnahmen für die Arbeiter. Hier wurde sein soziales Bewusstsein für Selbstbestimmung in Afrika geweckt. Bischof Häne gab ihm eine Chance für eine neunmonatige Social Leadership Ausbildung in Kanada. Für Joe ein Highlight. Hundert Männer und Frauen nahmen daran teil aus 29 Ländern. Da lernte er, dass es möglich ist unter verschiedenen Völkergruppen friedlich zusammen zu leben. Joe kam zurück nach Rhodesien mit einem Social Leadership Diplom für Laienapostolat-Ausbildung und war auch stark eingebunden in die Arbeit als Generalvikar und Promoter of Social Action; gemäss dem Geschäftsmodell der Raiffeisen Kasse und Kurse für Crédit Union mit kleinen Sparkassen. An Sonntagen war er in der Pfarreiseelsorge tätig und auf Aushilfe auf Aussenstationen. Joe erhielt den Shona Namen Gumbo. (voller Name heisst Gumbomutsvairo) Gumbo, weil Joe längere Zeit wegen Krampf-adern in den Beinen an einem Stock herumhumpelte. Gumbomutsvairo würde etwa heissen: seine Füsse sind wie Besen. Ein Besen kommt doch beim Wischen in alle Winkel und Ecken hinein, wie ein ständig Reisender. Als Promoter of Social Action und als Generalvikar reiste er sehr viel im Land herum. Das beobachten die Afrikaner genau. Darum sein Übername Gumbomutsvairo. Joe versuchte den christlichen Glauben in die Kultur der Leute zu integrieren, taufte nur Leute, die wirklich freiwillig zu ihm kamen. Er predigte in Shona und nahm gerne Shona Sprichwörter und Tiergeschichten des Shona Volkes in seine Predigten auf. Mit den Mitbrüdern versuchte Joe die traditionellen Glaubensriten in einer christlichen Form weiterzuführen.

Joe erlebte auch den Befreiungskrieg in Rhodesien. Er litt mit dem Volk, musste erleben, wie drei seiner Mitbrüder Opfer des Krieges wurden. Sein bester Freund Mike Traber wurde aus dem Land verjagt, ein anderer Mitbruder, Paul Egli, musste viele Monate ins Gefängnis. 1980 wurde Rhodesien unabhängig und nannte sich Zimbabwe unter Robert Mugabe.

2. Ein Jahr später wählte die Generalversammlung Joe zum Generalobern der Missionsgesellschaft. Für ihn unerwartet und so musste er für diese Aufgabe zurück in die Schweiz, nach Immensee, nach 25 Jahren Afrika. Nach seinen eigenen Worten lebte er sich relativ schnell und gut in das für ihn völlig neue, verantwortungsvolle Amt ein. Er diente der SMB als General-oberer zwei Amtsdauern von 1981 – 1988 und 1988 – 1993. Das war für ihn auch die Zeit der vielen Reisen in jene Länder, wo seine Mitbrüder missionarisch arbeiteten: Japan, Taiwan, Kolumbien, und natürlich Zimbabwe. Ein Spruch von ihm bleibt unvergessen: Become a missionary and you see the world.
Nach den 2 Amtsperioden als Generaloberer kehrte er wieder nach Zimbabwe zurück und übernahm bis 2001 die Koordination der Bischofskonferenz des südlichen Afrikas. Er war auch Wahlbeobachter in Mozambique. Am 3. Oktober 2001 verlies er mit dem letzten Flug der kurz darauf in Konkurs gehenden Swissair sein geliebtes Zimbabwe.

3. Über die Zeit und Tätigkeit von Joe im RomeroHaus berichtet nun Li Hangartner, Theologin, Luzern. Sie hat mit ihm viele Jahre zusammengearbeitet.

4. Joe ist auch Autor einiger Bücher, die er im Alter noch geschrieben hat. Ich nenne zwei, drei. Sie sprechen alle von der SMB-Geschichte in Rhodesien/Zimbabwe:

Joe hatte aber auch seine Hobbies:

  • zusammensetzen von komplizierten Puzzles,
  • kochen für sich im RomeroHaus,
  • Ferien in Maccagno am Lago Maggiore
  • Verwandten-Besuche in Rorschach, Ferien im Lötschental.

Joe war ein grosser Schaffer, machte solide Arbeit, war akribisch genau, und für uns alle ein begabter und loyaler Mensch und Mitbruder, dem eine lange Lebenszeit und Wirkungskraft gegönnt war. Wir danken ihm von Herzen.

Auf Shona: Baba Joe, mazviita enju, mugare zvakanaka mu umambo wa Mwari.

Ciao Joe, lebe in Frieden für immer.

 

Joe (Josef) Elsener

«Become a missionary and you see the world.»

Abschiedsworte (von Li Hangartner)

Wieder einer aus dem RomeroHaus, der von uns gegangen ist. Diesmal Joe. Nicht unerwartet, und trotzdem macht es traurig. Über die Zeit zu reden, in der wir mit Joe im RomeroHaus gearbeitet haben, und diese reichen Erfahrungen in ein paar Minuten zu packen, ist schwierig. Dies chronologisch im Aneinanderreihen von Fakten zu tun, ist wenig hilfreich, denn mit Joe verbinden uns viele Geschichten, Geschichten, die er geschrieben hat, Geschichten, die wir mit ihm erlebt haben, Geschichten, die er ausgegraben und erzählt hat.

Ich versuche es ganz anders, habe mir überlegt, welches Thema in Joes Leben immer wieder auftaucht, ihn sein ganzes langes Leben lang begleitet hat. Es ist dies «Abschied». Joe hat sich immer wieder verabschiedet, verabschieden müssen, von Orten, Menschen und von Ideen/Vorstellungen – bevor er sich letzte Woche endgültig von dieser Welt verabschiedet hat. Und wir uns heute von ihm verabschieden.

Lieber Joe,

von den ersten Abschieden in deinem noch jüngeren Leben haben wir gehört. Der vielleicht schwerste Abschied: der definitive Abschied aus Simbabwe 2001, dein endgültiger Umzug in die Schweiz. Ich hatte dir damals geschrieben, wir würden uns freuen, wenn du deine Erfahrung und dein Wissen der Veranstaltungsgruppe, kurz VG, zur Verfügung stellen würdest, damit wir den Themenschwerpunkt Afrika in unserem Programm wieder stärker gewichten können. Deine Antwort liess nicht lange auf sich warten. Dass du dafür andere Pläne aufgegeben hast, erfuhren wir erst später. Ins RomeroHaus kamst du mit dem Reichtum deiner afrikanischen Lebensweisheit und mit der Wunde dieses Abschieds. Afrika bleibt dein Lebensthema. Du träumst, nicht nur zu Beginn, sondern bis zuletzt in der Shonasprache.

Dass du zu uns ins RomeroHaus gekommen bist und fast zehn Jahre in der VG im RomeroHaus mitgearbeitet hast, war für uns – Paul, Renate, Toni, Barbara, Brigitta, Claudia, Myrtha und mich ein grosses Glück. Du hast dich, das war das Bewundernswerte an dir, trotz Heimweh nach Afrika sehr schnell in die VG eingelebt, als wärst du nach dem Spatenstich im Jahre 1986, den du als GO gemacht hast, gar nie weg gewesen. Du hast neue Ideen ins Veranstaltungsprogramm eingebracht, hast immer wieder Grundsatzfragen aufgeworfen, Eingeschliffenes in Frage gestellt. Du hast immer wieder betont, wie sehr du unseren Arbeitsstil geschätzt hast, eine Mischung zwischen afrikanischer menschenfreundlicher Mentalität und europäischer Effizienz. Das war das höchste Lob aus deinem Mund. Und noch etwas: Mit dir hatten wir einen eingefleischten Feministen an unserer Seite. Ich erwähne hier nur kurz deine persönlichen Gedanken als scheidender GO nach 12 Jahren Amtszeit, nachzulesen im Wendekreis 11/1993. Darin der Satz: «Die Frauenfrage wird für die morgige Praxis der Kirche zentral sein.» Und du hast dich sehr darüber gefreut, dass das Generalkapitel am 18. August 1993 in den  Schlussbestimmungen erklärte: «Wir treffen eine Option für die Frauen und mit den Frauen.» Du hast im selben Beitrag auch den 14. Juni 1991 erwähnt, ein Datum, das du lieber vergessen würdest: der Frauenstreiktag. Ich zitiere: «Wie bekundete doch damals unsere Männergemeinschaft Mühe, an den von Mitarbeiterinnen im Haus veranstalteten Anlässen teilzunehmen und die Anliegen der Frauen anzuhören. Wenn ich daran denke, wie sich einige sogar unter irgendeinem Vorwand aus dem Haus schlichen, dann erinnert mich das doch nur zu sehr an die bitteren Erfahrungen in Rhodesien/Simbabwe und all die Entschuldigungen, Rechtfertigungsversuche und Verzögerungstaktiken der Weissen, wenn es um die Gleichstellung der Schwarzen ging.»

Dir verdanken wir, dass wir im Sommer 2003 eine Bildungsreise nach Zambia und Malawi machen durften. Du hast uns eine wunderbare und unvergessliche Zeit beschert. Eine Reise, nach der wir verstanden haben, warum du dich immer als Afrikaner gefühlt hast. Und, das Erstaunlichste: Du, der Wortkarge, hast nur so gesprudelt. Wir haben dich von einer ganz unbekannten Seite kennen gelernt.

Der nächste Abschied: der Tod deines Freundes Othmar Eckert 2005. Wir haben uns gelegentlich über euch beide amüsiert. Ihr kamt uns oft vor wie Pat und Patterchen. Der ruhige, eher wortkarge, nüchterne Joe und der quirlige leicht in Aufregung zu versetzende Othmar. Wie konnte sich Othmar aufregen über irgendwelche römischen Erlasse, während Joe sie in geduldigem Grimm ertrug.

Dann: dein Abschied aus der VG 2010. Wir waren traurig darüber – und gleichzeitig glücklich, dass wir soviele Jahre eng mit dir zusammenarbeiten durften. Güte, Weisheit, Offenheit, das hat dich gekennzeichnet. Du hast weiterhin im RomeroHaus gelebt, hast uns in guter alter othmarscher Tradition jeweils am Dienstag nach der Sitzung deine Attika zum Apéro eingeladen.

Ein nächster Abschied: Du konntest deine priesterlichen Dienste, die du noch lange in der Pfarrei in Greppen ausgeführt hast, nicht mehr verrichten. Wir wissen, dass dich dies sehr geschmerzt hat.

Der Abschied vom RomeroHaus im Sommer 2021: Dieser Abschied ist dir schwer gefallen. Das RomeroHaus mit seinem Namen und seinen Ideen war der Ort und das Symbol deiner Leidenschaft, der Befreiungstheologie. Der Umzug in die neue Wohnung in Immensee war harzig, du warst dort nie zu Hause. Das neue Haus im Bethlehem war dir zu kühl, zu kalt, im Unterschied zur warmen Architektur des RomeroHauses; du warst regelmässig in den Kaffeepausen im Gespräch mit jungen Mitarbeitenden von COMUNDO anzutreffen, oder in der Puzzle-Ecke, die du unmittelbar nach deiner Ankunft im RomeroHaus eingerichtet hast.

Dein Radius, den du zu gehen vermochtest, wurde klein in den vergangenen Monaten, dein geistiger Horizont blieb weit. Du hast gelitten unter den zahlreichen Abschieden, die dein Leben prägten, hast aber kein Theater drumrum gemacht. Du warst nicht wehleidig, höchstens knurrig. Ich frage mich, wie heimatlos du warst, trotz SMB und trotz der vielen Menschen, die dich liebten.

Nihil nisi bene – ist das Diktat für alle, die über die Toten reden. Damit wir haben wir es bei Joe leicht. Denn bei ihm fällt mir schlicht nichts Nachteiliges ein. Meine letzte Begegnung mit Joe war an Weihnachten 2022. Er hat, wie schon viele Male zuvor, mit Dominik, Fulbert und mir in Luzern gefeiert, und es war das allererste Mal, dass er keine selber geschriebene Geschichte mitgebracht hat. Was schenkt man einem bescheidenen Menschen wie Joe? Seine Bescheidenheit hat uns einfallslos gemacht, und so bekam Joe Jahr für Jahr zum Geburtstag ein Puzzle und an Weihnachten seine Flasche Alpenbitter. In seiner Wohnung müssten eigentlich noch einige Flaschen davon zu finden sein. Wenn wir ihn fragten, was wir für seinen Besuch kochen könnten, reichte seine Fantasie nicht über Fleischkäse hinaus. Ein schwieriger Gast. Alter Seebär, hat dich Dominik zärtlich genannt.

Alter Seebär, du wirst uns fehlen.