Johannes Bitterli

Wir beerdigen heute einen Mitbruder aus Basel: «Dü, loos ä mool, kasch mer saage, was jetzt passiert?» Ja, diesen Satz hören wir nun nicht mehr. Die Worte von Johannes Bitterli sind endgültig verklungen.

17.12.2021

Lebenslauf

geboren 9.12.1936
Priesterweihe 7.4.1968
Schweiz/Europa: Lehrer in Rebstein, Seelsorger in Cham und Luzern, Sprachaufenthalte in Paris und London 1968 – 1974
Tansania: Seelsorge, Sozialdienst: Diözese Mahenge: Ruaha 1975 – 1996
Diözese Tanga: Handeni (1996 – 1999), Magoma (1999 – 2009) 1996 – 2009
Diözese Dodoma: Nkuhungu (2009 – 2011), Handali (2011 – 2017) 2009 – 2017
Schweiz: ärztl. Behandlung, Seelsorge 2017 – 2021
verstorben 3.12.2021

Nachruf (von Josef Christen SMB)

Johannes wuchs in Basel auf. Er lebte in einer Familie mit zwei Brüdern und drei Schwestern. Sein Vater war Tramführer im Bruderholz. Die Mutter schaute zu Hause zur Familie. Die drei Schwestern sorgten sich zu viel um Johannes, das passte ihm nicht. Ihn zog es in die Lehre als Laborant zur Firma Geigy, heute Novartis! Danach machte er die Matura in Basel in einem Privatgymi. 1962 schloss er sich unserer Gesellschaft an und wurde 1968 zum Priester geweiht. Er war im selben Weihekurs wie ich. Sein Onkel war Alois Stäuble SMB. Dieser lehrte Naturwissenschaft an einer Uni in Quebec und später in New Jersey in den USA. Er galt als Einzelgänger. Mag sein, dass Johannes dem Lebensstil seines Onkels nachfolgte.

Johannes konnte nicht sofort in einen missionarischen Einsatz aufbrechen. Er war zunächst Lehrer und Präfekt im Progymnasium Rebstein, dann zwei Jahre Vikar in Cham, ging dann zum Sprachstudium nach London und war anschliessend ein Jahr im St. Karli in Luzern.

1974 kam Johannes nach Afrika. Nach Rhodesien zu gehen, war damals nicht möglich. Einreisestopp. Wie es zum Einsatz in Tansania kam, darüber gibt es zwei Versionen. Die eine lautet so: Da die Einreise nach Rhodesien für alle jungen Immenseer nicht mehr möglich war, erwog die damalige SMB-Leitung neue Einsätze im Nachbarland Sambia. Dort gab es vor allem irische Missionare, Jesuiten, mit denen er hätte zusammenarbeiten sollen. Dies passte Johannes gar nicht, denn er hatte im Sprachaufenthalt in London schlechte Erfahrungen mit irischen Priestern gemacht. Die Option Tansania, wo es Schweizer Kapuziner gab, war also eine Verlegenheitslösung. Die andere Version lautet folgendermassen: Man wollte durch diesen Einsatz die Zusammenarbeit der SMB mit der Kapuzinermission verstärken. Bitterli wäre da also der Erstling für dieses Projekt gewesen.

So oder so, es folgte für ihn 1974 die Ausreise nach Tansania. Das Studium der Sprache Suaheli muss für ihn sehr harzig gewesen sein. 21 Jahre lang war er in Ruaha, Diözese Mahenge, als Seelsorger tätig. Das Dorf Ruaha liegt östlich von Ifakara-Quiro in der Nähe des Selous Game Reserve. Auf seinen Reisen in die Dörfer traf er oft Elefanten und Löwen an. 1996 wechselte Johannes nach Handeni und zwei Jahre später nach Magoma in die Diözese Tanga. Gründe für den Wechsel sind mir nicht bekannt. Hier arbeitete er zehn Jahre, anschliessend zwei Jahre als Vikar in Dodoma-Nkuhungu. Dodoma ist die neue Regierungshauptstadt im Innern Tansanias. Am Schluss wirkte Johannes in der Pfarrei Handali (Diözese Dodoma). Johannes war in all den 43 Jahren immer in der Seelsorge tätig. Neben der üblichen Seelsorge war es Johannes ein Herzensanliegen, Leuten in Not zu helfen. Oft war er der Einzige weit und breit, der Menschen eine dringende Behandlung im Spital ermöglichen konnte.

J. Kenterich

«Heimwärts zum Vater geht der Weg.»

Johannes liebte die Berge, war ein leidenschaftlicher Alpinist. Trotzdem hatte er grosse Angst, herunterzufallen. Er war sehr auf Vorsicht bedacht im Klettergebiet. An der grossen Felskletterei Fletschhorn hatte er doppelt so lange wie andere. Er war in Tansania nicht sehr weit vom Kilimandscharo entfernt. Er erzählte kürzlich noch, dass er viermal auf dem Kilimandscharo stand mit dem Uhuru Peak.

Johannes konnte stur sein und gab einfach nicht nach. Aber er hatte auch seinen Schalk. Zwar wusste man oft nicht, ob es zynisch oder witzig war! Er wurde öfter geföppelt wegen seiner Körpergrösse. In der Soutane trat der Kleinwuchs besonders deutlich hervor. Wir nannten ihn wohlwollend «s Männdli».

2017 kehrte er zurück in die Schweiz, dies auf Anraten seines Freundes Dr. med. Georges Kayser. Johannes litt immer mehr an Blutarmut. Es wurde Krebs diagnostiziert. Er brauchte viele medizinische Untersuchungen, und die medizinische Behandlung zog sich in die Länge. So gerne wäre er nach Tansania zurückgekehrt. Johannes fühlte sich innerlich zerrissen von der Not der ihm anvertrauten Menschen in Tansania. Er versuchte, sie von der Schweiz aus zu unterstützen, so gut ihm das möglich war. Ein Beispiel dafür war ein SMS aus Tansania an Johannes in die Schweiz, geschrieben in Suaheli: Es gehe um Leben und Tod, eine Frau mit acht Kindern könne nur in Nairobi (Kenia) operiert werden. Sie habe eine Woche Zeit und brauche sofort 4000 Franken. Ähnliche Botschaften erhielt Johannes noch und noch. Er telefonierte viel nach Tansania.

Vor ein paar Wochen musste Johannes akzeptieren, dass die Krankheit nicht mehr zu heilen war. Er verstarb friedlich auf der Pflegeabteilung hier bei uns, nachdem er jede mögliche medizinische Assistenz im Spital St. Anna Luzern erhalten hatte. Für ihn war der Tod eine Befreiung von Schmerzen, von seelischer Not und langweiligem Warten.

Johannes verschied am 3. Dezember. Tags darauf meinte einer der Mitbrüder während der freiwilligen, gemütlichen Abendrunde: «Vielleicht sagt jetzt Johannes, wenn er unter der Himmelspforte dem Erzengel begegnet: ‹Dü, loos ä mool, kasch mer saage, wo ich mini Flüügeli ka bekoo?›»

Johannes hätte heute seinen 85. Geburtstag feiern können. Nun feiert er ihn in einer neuen Welt.