Gottfried Vonwil

Abschied von Gottfried Vonwil (* 26.6.1931; † 13.2.2022), Bethlehem-Missionar SMB.

27.02.2022

Lebenslauf

geboren 26.6.1931
Priesterweihe 30.3.1958
Rebstein: Lehrer und Präfekt 1958 – 1962
Taiwan: Sprachstudium 1963 – 1964
Pfarrer in Fukang, Taitung und Malan 1964 – 1980
Regionaloberer der SMB in Taiwan 1980 – 2003
Regionaloberer der SMB in der Heimat 2003 – 2008
Taiwan: Pfarrer in Malan 2009 – 2020
Regionalhaus Taitung: Pension 2021 – 2022
verstorben 13.2.2022

Nachruf (von Josef Meili SMB)

Ende Juni letzten Jahres konnte Göpf, wie wir ihn immer nannten, in Taitung (Taiwan) seinen 90sten Geburtstag feiern. Augustin Büchel, unser Mitbruder und Verwalter des Regionalhauses in Taitung, schrieb dazu:

«Die Geburtstagsfeier am vergangenen Freitag hat Göpf gutgetan, aber auch müde gemacht. Andreas, der Mann unserer Sekretärin, hat eine lange Reihe Bilder aus Göpfs Leben zusammengestellt und gezeigt. Der Speisesaal war zu klein für die rund 80 Gäste, die zum Essen kamen; also musste der angrenzende Saal noch geöffnet werden. Vom neu eröffneten Krebs-Behandlungszentrum des protestantischen Spitals kam der leitende Arzt, der Göpf immer behandelt hatte, auch die leitende Pflegefachfrau und der Bischof.»

Das zeigt, dass Göpf bekannt war und geschätzt wurde, denn wenn der Chefarzt des Krebs-Behandlungszentrums zu einem Geburtstag einer seiner Patienten kommt, heisst das doch sehr viel.

Göpf wurde am 26. Juni 1931 geboren und wuchs in Ebikon auf. Nach seiner schulischen Ausbildung in Ebikon und dann im Gymnasium Immensee schloss er sich 1952 der Missionsgesellschaft Bethlehem an. Die Priesterweihe empfing er in Immensee am 30. März 1958. Als Lehrer und Präfekt am Progymnasium Rebstein verdiente er während vier Jahren seine Sporen ab, konnte dann nach einem Sprachstudium in London im April 1963 endlich nach Taiwan ausreisen. In Hsinchu – im Norden Taiwans – widmete er sich dem Taiwanesisch-Studium.

Anschliessend war er Pfarrer in verschiedenen Gemeinden im Kanton Taitung: im Hafenstädtchen Fu-Gang ausserhalb Taitungs, in der Stadt Taitung selbst als mein Vor-Vorgänger an der Pao-sang-lu, dann, nach seinem Heimaturlaub, von 1973 an arbeitete er als Pfarrer in Malan, einem Vorort von Taitung.

1978 erlebten wir einen grossen Schock. Göpf erhielt die Diagnose: schwarzer Krebs. Er hatte schon Ableger in den Lympfdrüsen. Dr. Gianezzo, ein italienischer Arzt, operierte ihn am 21. Juni im Spital der Kamlianer in Lotung. Der Kommentar, den Dr. Gianezzo nach der Operation uns gab, lautete: «Ich habe alles herausgeschnitten, was irgendwie nach Krebs aussah. Schickt Göpf in die Schweiz. Dort gibt es gute Medikamente gegen Schmerzen, aber er hat kaum eine Chance zu überleben.» Also sozusagen ein Todesurteil.

Ich erinnere mich gut daran, wie wir Göpf auf dem Flugplatz verabschiedeten, sozusagen definitiv. Er selbst war aber fest überzeugt, dass er gegen alle Prognosen nach Taiwan zurückkehren würde. Während seines Aufenthalts in der Schweiz wurde Göpf von Kopf bis Fuss untersucht und – man fand tatsächlich keine Krebszellen mehr, sodass er im September desselben Jahres wieder nach Taiwan zurückkehren konnte. Göpf war sozusagen von den Toten auferstanden und er erlitt im Lauf der kommenden Jahre keinen Rückfall. Dr. Gianezzo war ebenso absolut überrascht und sagte nur: Das ist jetzt der einzige Fall unter 100 000, der einen solchen schwarzen Krebs mit Metastasen überlebt.

Zwei Jahre später, 1980, wählten wir Göpf zum Regionaloberen von Taiwan; diese Wahl wurde mehrmals erneuert. Von 1991 an war er verantwortlich für die Pfarreien Tulan, Tung-he und Tai-yüan, wo mehrheitlich Amis und Taiwanesen wohnen.

2003 reiste er zum Generalkapitel und blieb für die kommenden fünf Jahre als Regionaloberer der Schweiz in Immensee hängen. Diese fünf Jahre in der Schweiz waren die schwersten Jahre für Göpf. Es war für ihn ein Einleben in eine Kultur, die zwar seine ursprüngliche ist, die ihm aber fremd geworden war. Die Art des Arbeitens, des Organisierens, des Umgangs mit den Leuten, der Entscheidungsfindung, und vieles andere mehr, war einfach anders als in Taiwan. Aber Göpf, mit seiner Ruhe und Beständigkeit, überlebte diese Zeit nicht nur, sondern er war ein beliebter Regionaloberer.

Mt 5,5

«Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.»

Die Rückkehr nach Taiwan am 30.September 2008 bezeichnete er doch als einen der schönsten Tage in seinem Leben. Bis 2020 begleitete Göpf die Pfarrei in Malan mit einer Reihe von Aussenstationen.

Göpf hatte eine besondere Begabung, Menschen mit psychischen Problemen mit einer unendlichen Geduld zuzuhören. Deshalb suchten ihn auch immer solche Menschen auf. Er galt auch als ein Vater der Armen, weil er das, was er nicht unbedingt brauchte, verschenkte.

Bei den Regionaloberen-Konferenzen in Taiwan setzte er sich sehr zielbewusst für die Einheimischwerdung der Lokalkirche ein. Dies betraf die Förderung der verschiedenen indigenen Sprachen, der Anpassung der liturgischen Sprache, der Symbole und Riten der indigenen Stämme. Seine Stimme hatte immer Gewicht, weil er aus der Praxis kam. So wurde er in den kirchlichen und vor allem auch in zivilen Kreisen Taiwans überall bekannt und auch anerkannt. Deshalb erhielt er – zusammen mit drei andren Mitbrüdern – das Taiwaner Bürgerrecht.

Der Gesundheitszustand liess Göpf von 2020 an eine weitere seelsorgerliche Arbeit nicht mehr zu. Von irgendwoher wurden wieder Krebszellen sichtbar. Göpf stellte sich für den Versuch eines neuen Krebsmedikaments in Taipei zur Verfügung – mit einem zeitweiligen Erfolg. Dann aber nahmen seine Kräfte stetig ab und so kam sein Weg als Missionar auf dieser Erde am 13. Februar 2022 an sein Ende, aber aus seiner Sicht an sein Ziel, wenn er in seinem Testament schreibt:

«Wo immer ich sein werde, wenn Gott mich heim ruft, es soll ein Fest sein, ein Zeichen unserer Hoffnung auf Auferstehung und ewiges Leben. Es darf kein Trauergottesdienst sein, sondern ein Dankgottesdienst zum Zeichen der Freude, dass ich angekommen bin, dass ich daheim bin.»

Ein paar Worte noch: Wie ich Göpf persönlich erlebte

Mein erster Kontakt mit Göpf fand im Progymnasium Rebstein 1959 statt. Göpf war Präfekt und ich im Spezialkurs. Der Spezialkurs war eine Gruppe von Gymnasiasten, die alle schon zwei oder drei Jahre Sekundarschule besucht hatten. So waren wir alle älter als die Erst- und Zweitklässler des Progymnasiums. Göpf verstand es ausgezeichnet, uns älteren Schülern zuzugestehen, dass wir älter waren und in der Sekundarschule schon einiges an Lebenserfahrung mitgebracht und deshalb auch das Recht hatten auf eine spezielle Behandlung. Wir diskutiert viel in seinem Präfekten Büro. Einige spannende Gespräche sind mir noch lebhaft vor Augen. Für noch ältere Spezialkürsler hatte er sogar gelegentlich eine Zigarette übrig. Jedenfalls schätzten wir Göpf wegen seiner Grosszügigkeit und seiner Offenheit unseren Anliegen gegenüber.

Dann verlor ich Göpf aus den Augen, weil er bald nach Taiwan ausreiste. Als es darum ging, wohin ich nach der Priesterweihe für einen missionarischen Einsatz gehen sollte, waren nicht nur die Anziehung des fernen Ostens, sondern auch einige Mitbrüder, die in Taiwan arbeiteten, ein wichtiges Motiv für meinen Entscheid, unter anderen Mitbrüdern auch Göpf.

So traf ich ihn 1974 in Taiwan wieder. Dort wurde er «der kleine Göpf» genannt, im Vergleich zum «grossen Göpf», Gottfried Suter, selig, der ihn um Haupteslänge überragte.

Göpfs ruhige und beruhigende Art, seine Stabilität und seine Ausdauer – vor allem, als er so nebenbei Mandarin-Chinesisch und die Sprache des indigenen Stammes der Amis lernte, in der er es zu einer erstaunlichen Vollkommenheit brachte – beeindruckten mich sehr. Kaum etwas konnte ihn aus der Bahn werfen; mit ruhigem und nüchternem Blick schaute er sich – die oft nicht einfachen – Situationen an und traf seine Entscheide. Seine Fähigkeit, möglichst viele Rücksichten kennen zu lernen, zu beachten und einzubeziehen, bewunderte ich. Sein immer freundliches Gesicht bleibt in mir haften.

Göpf, Du warst ein guter, liebenswürdiger, zuvorkommender und zuverlässiger Freund und dafür bin ich Dir sehr dankbar.