Elisabeth Vetter: «Die Arbeit geht mir so schnell nicht aus.»

Elisabeth Vetter betreut das Archiv der SMB seit 15 Jahren. Im Interview blickt die 61-Jährige auf ihre bislang wichtigsten Projekte zurück und erläutert, was sie an ihrer Arbeit als Archivarin besonders schätzt.

Autor Raquel Forster – 08.09.2025

Elisabeth, du betreust das Archiv der SMB bereits seit 15 Jahren. Wie sah es damals im Missionshaus aus?

Elisabeth: Die Archivräume befanden sich im Parterre des damaligen Missionshauses, ungefähr an der Stelle, an der sich heute der Infopoint befindet. Da war zum einen der Magazinraum, das heisst ein gekühlter Raum mit Rollgestellen, in dem sich die Archivalien befanden. Dann gab es einen Leseraum, in dem Archivbesucher Einsicht in Akten nehmen konnten. In diesem Raum befand sich auch die Archivbibliothek. Daneben gab es einen länglichen Raum mit Gestellen. Auf der einen Seite war der Arbeitsplatz von Josef Werlen SMB, der zu Beginn stundenweise das Fotoarchiv sortierte und beschriftete. Neben seinem Schreibtisch hatte ich meinen Arbeitsplatz. In einem weiteren separaten Raum hatte der frühere Archivar Fritz Frei sein Büro. Er arbeitete nach seiner Pensionierung noch eine Weile weiter, um ein Projekt abzuschliessen.

Der frühere Arbeitsplatz «Fotoarchiv» von Josef Werlen SMB.

An welche Projekte in deiner Laufbahn als Archivarin der SMB erinnerst du dich besonders?

Zu Beginn lag die Zuständigkeit für das Archiv bei der damaligen Nachfolgeorganisation der SMB, der Bethlehem Mission Immensee BMI. Dann wechselte die Zuständigkeit für das Archiv wieder zurück in die Obhut der SMB. Nachdem die Zuständigkeit für das Archiv geklärt war, kamen schon bald die Pläne für das Projekt «Wohnen im Bethlehem» auf den Tisch. Es zeigte sich, dass in der geplanten Überbauung kein Platz für das Archiv vorgesehen war und dass eine längerfristige Lösung gesucht werden musste. Zusammen mit dem Generalrat wurden Gespräche mit dem Staatsarchiv Schwyz und dem Staatsarchiv Luzern geführt. Das Staatsarchiv Luzern zeigte Offenheit und Bereitschaft, das Archiv der SMB aufzunehmen und zugleich einen Arbeitsplatz für die Archivarin zur Verfügung zu stellen. Der Weg dahin war jedoch weit und mit einiger Arbeit verbunden. Die Vorarbeiten für die Überführung nahmen mich in den Jahren 2013/2014 über Monate hinweg in Anspruch. Das gesamte Archivmaterial musste in Kisten verpackt werden, wobei die Ordnung beibehalten werden musste. Gleichzeitig musste ich die Archivalien der SMB und die der BMI voneinander trennen, denn die BMI zog ins RomeroHaus und nahm «ihr» Archiv mit. Schliesslich fand im August 2014 der Umzug nach Luzern statt, und seit September 2014 ist mein hauptsächlicher Arbeitsplatz im Staatsarchiv in Luzern.

In Kisten verpackte Archivalien vor dem Archiv in Immensee, die für den Umzug nach Luzern vorbereitet werden.

Kaum war die Baustelle «Umzug Archiv» abgeschlossen, tauchte ein neues Projekt am Archivhimmel auf. Seit Beginn meiner Tätigkeit bei der SMB war ich mit wenigen Stellenprozenten auch für die sogenannte ethnographische Sammlung der SMB zuständig. Diese Sammlung mit über 3000 Objekten lagerte im Keller des Missionshauses. Da das Missionshaus der geplanten Überbauung «Wohnen im Bethlehem» weichen musste, musste auch für diese Sammlung eine Lösung gefunden werden. Ich nahm mit verschiedenen Institutionen Kontakt auf. Schliesslich zeigte sich das Völkerkundemuseum in Zürich bereit, die gesamte Sammlung zu übernehmen. Doch zunächst musste die Finanzierung der Bearbeitung der Sammlung geklärt werden. Somit begann für mich die Suche nach entsprechenden Stiftungen und Sponsoren, die bereit waren, die Inventarisierung der Sammlung finanziell zu unterstützen Ein ansprechendes Dossier über die heterogene Sammlung wurde erstellt und es gab viel Korrespondenz zu erledigen. Für die Vorarbeiten der «Züglete» und den eigentlichen Umzug war ich die Ansprechperson in Immensee. Mitarbeitende des Völkerkundemuseums arbeiteten rund eine Woche in den Kellern in Immensee, reinigten die Objekte, erstellten Listen und verpackten die Objekte in Kisten. Ich organisierte das Drumherum, d. h., ich zeigte, wo überall Objekte gelagert waren und wo die Kisten zwischenzeitlich gelagert werden konnten. Es war eine intensive Zeit, doch die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden des Völkerkundemuseums funktionierte hervorragend und war sehr bereichernd. Höhepunkt war dann der Abtransport der Sammlung im August 2018. Für die SMB waren die Objekte somit «versorgt», doch bei der Inventarisierung der Objekte durch das Völkerkundemuseum tauchten immer wieder Fragen auf, mit denen sich die Mitarbeitenden an mich bzw. an das Archiv wandten.

Noch vor Abschluss des Schlussberichts des Völkerkundemuseums über die Sammlung habe ich ein kleines Inventar im Archiv entdeckt, das ich der Autorin des Abschlussberichts stellen konnte. Das zeigt, dass solche Projekte nicht ein für alle Mal abgeschlossen sind, sondern immer wieder Fragen auftauchen oder neue Entdeckungen gemacht werden.

Elisabeth Vetter besucht das Völkerkundemuseum in Zürich. Ina von Woyski zeigt Elisabeth Vetter, wie sie ein textiles Gemälde aus der ethnografischen Sammlung der SMB gereinigt und konservatorisch fachgerecht verpackt hat (2022).

Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders gut?

Die Ausführungen zu den beiden grossen Projekten, mit denen ich mich über viele Monate beschäftigt habe, zeigen, wie vielfältig und spannend meine Arbeit ist. Neben den beschriebenen Projekten gefällt mir aber auch die Recherche- und Erschliessungsarbeit im Archiv, also die Bearbeitung der Akten. Ich mag es, Ordnung und Struktur in Unterlagen zu bringen, sodass sie leicht auffindbar sind. Daneben schätze ich den Kundenkontakt, sei es direkt oder schriftlich. Jährlich beantworte ich über hundert Anfragen von Forschenden zu den unterschiedlichsten Fragestellungen. Die meisten Kundinnen und Kunden sind sehr dankbar für die Unterstützung bei der Suche nach Akten und freuen sich mit mir über die entsprechenden «Funde».

Elisabeth Vetter sitzt mit Toni Jörg-Fetz und Theo Haas aus Domat/Ems im alten Speisesaal des Missionshauses. Anlass war die Übergabe der zerschossenen Soutane von Anton Jörg SMB, der 1935 in Qiqihar ermordet wurde und aus Domat/Ems stammte. Die Soutane wurde dem Heimatmuseum Domat/Ems als Dauerleihgabe übergeben (November 2013).

Wie sieht dein normaler Arbeitsalltag aus?

Natürlich gibt es gewisse Routinen in meinen Tätigkeiten, aber es fällt mir schwer, einen typischen Arbeitstag zu beschreiben. Was ich sagen kann, ist, dass Anfragen an das Archiv prioritär behandelt werden und Forschende, wenn immer möglich, innerhalb von zwei bis drei Tagen eine Antwort von mir erhalten. Daneben erschliesse ich Archivbestände, das heisst, ich sortiere die Unterlagen, überprüfe sie auf Vollständigkeit und erfasse sie in der Archivdatenbank. Auch die Arbeitsvorbereitung für die ehrenamtliche Mitarbeiterin im Archiv, gehört zu meinen Aufgaben. Mir geht die Arbeit so schnell nicht aus.

Der frühere «Lesesaal» mit Archivbibliothek im Missionshaus Immensee.